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Initiative gegen Fluglärm Mainz

Terminal 3 und die Falschgutachten der Intraplan Consult GmbH - Eine kritische Analyse der Wachstumsperspektiven des Frankfurter Flughafens

Mit aller Macht treibt die Fraport AG den Bau des Terminal 3 voran. Die Stadt Frankfurt am Main hat im August 2014 die Baugenehmigung erteilt, die ihre Grundlage im nicht rechtskräftigen Planfeststellungsbeschluss vom 18. Dezember 2007 hat. Um den Bedarf für den Terminal 3 zu untermauern, hat die Fraport AG ein Gutachten der Intraplan Consult GmbH eingeholt, bei der es sich um ihren Lieblingsgutachter handelt. Die Intraplan Consult GmbH bestätigt gegen Geld so ziemlich alles was der Auftraggeber des Gutachtens bestätigt haben möchte – insbesondere steigende Flugbewegungs- und Passagierzahlen. Der nachfolgende Artikel setzt sich kritisch mit den Wachstumsprognosen der Fraport AG und ihrer „Gutachters“ auseinander:


Die Fraport AG hat am 17.09.2014 die Zusammenfassung einer Studie der Intraplan Consult GmbH veröffentlicht. Danach prognostiziert Intraplan für 2020 529.000 Flugbewegungen, für 2025 568.000 und für 2030 611.000 Flugbewegungen am Frankfurter Flughafen. Dieses Jahr werden es – sicher auch streikbedingt – weniger als 470.000 Flugbewegungen sein. Die Passagierzahlen für 2020 werden mit 71,1 Mio., für 2025 mit 78,1 Mio. und für 2030 mit 86,1 Mio. angegeben.

Intraplan war bereits der Gutachter für die Verkehrsentwicklung im Rahmen des Planfeststellungsbeschlusses zum Ausbau des Frankfurter Flughafens. Am 12.09.2006 erstellte Intraplan auf 235 Seiten die Prognose G8, dass 2015 628.000 Flugbewegungen und 2020 701.000 Flugbewegungen am Frankfurter Flughafen stattfinden werden. Die Passagierzahlen sollten sich im Jahr 2015 auf 76,4 Mio. und im Jahr 2020 auf 88,6 Mio. belaufen.

Im Jahr 2014 wird es ca. 469.000 Flugbewegungen am Frankfurter Flughafen geben. Im Jahr 2006, dem Jahr der Erstellung des Gutachtens betrug die Anzahl der Flugbewegungen ca. 489.400. Es ist also nicht nur so, dass Intraplan die Prognose für 2015 um ca. 156.000 Flugbewegungen grob falsch ermittelt hat; die Anzahl der Flugbewegungen wird sogar noch niedriger sein, als im Jahr der Erstellung des Gutachtens. Auch für 2015 ist in Frankfurt mit keinem Anstieg der Flugbewegungen zu rechnen. Vielmehr sieht der bis zum 28.3.2015 laufende Winterflugplan einen Rückgang der Flugbewegungen um ca. 2% vor. Das hört sich gering an, entspricht aber etwa 9000 Flugbewegungen im Jahr. Auch die Passagierzahlen liegen weit hinter den Prognosen von Intraplan zurück. Für das Jahr 2015 prognostizierte Intraplan 76,4 Mio. Passagiere, für 2020 88,6 Mio. Tatsächlich werden es in 2015 etwa 60 Mio. sein.

Die Prognosen von 2006 und 2014 weichen dramatisch ab
. 2006 wurden – wie ausgeführt – für 2020 noch 701.000 Flugbewegungen prognostiziert. Nach der Prognose von 2014 sollen es in 2020 dagegen „nur“ 529.000 Flugbewegungen sein, also ca. 172.000 weniger als ein paar Jahre vorher noch prognostiziert. Ähnlich verhält es sich bei den Passagierzahlen. Hier beträgt die Abweichung für das Jahr 2015 etwa 16,5 Mio. Passagiere, wenn man unterstellt, dass in 2015 ca. 60 Mio. Passagiere den Frankfurter Flughafen nutzen.

Auch im Zusammenhang mit dem geplanten Bau der 3. Startbahn am Münchener Flughafen wurde Intraplan im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens als Gutachter tätig. Im Gutachten vom 26.07.2007 prognostizierte Intraplan auf mehr als 350 Seiten ca. 611.000 Flugbewegungen für 2020. Im Jahr 2013 waren es 382.000. Im laufenden Jahr ging die Anzahl der Flugbewegungen bislang um 1,7 % gegenüber dem Vorjahr zurück. Setzt sich dieser Trend fort, ist in 2014 mit ca. 375.000 Flugbewegungen zu rechnen. In 2007 – dem Jahr der Erstellung des Gutachtens – waren es dagegen noch 432.000 Flugbewegungen. Es ist völlig ausgeschlossen, dass in München bis zum Jahr 2020 eine Steigerung der Flugbewegungen um ca. 240.000 eintritt, damit sich die Prognose der Intraplan noch bewahrheitet. Die Prognosen in Bezug auf die Passagierzahlen sind ebenso grob falsch.

Mit diesen wenigen Vergleichsparametern kann festgehalten werden, dass die Prognosen von Intraplan bei den letzten großen Infrastrukturprojekten in der Luftverkehrswirtschaft in gröbster Weise die tatsächliche Verkehrsentwicklung überzeichnet haben und offenkundig völlig unseriös sind.
Intraplan berücksichtigt mit der Auftragsprognose unzureichend die konkrete Wettbewerbssituation und die raumunverträgliche Lage des Flughafens in der engen Rhein-Main-Region. Fraport betreibt überwiegend eine Shopping-Immobilie mit Verkehrsanbindung an Start- und Landebahn und reagiert als solches in der Intraplan-Studie nicht ausreichend sensibel auf Strategieveränderungen der Airlines sowie allgemeine Wettbewerbsveränderungen – wie beispielsweise Point to Point Verbindungen von anderen Flughäfen. Die Lufthansa AG verabschiedet sich zurzeit mit den Germanwings- und Eurowings-Konzepten sowie der geplanten Schaffung einer Langstrecken-Billigfluglinie in nicht unerheblichem Umfang von ihrem bisherigen Hubkonzept am Frankfurter Flughafen. Basis für die Billig-Langstreckenflüge wird Köln werden.

Nicht ausreichend berücksichtigt wird in den „Gutachten“ das massive Wachstum von Turkish Airlines, die 14 Flughäfen in Deutschland ansteuert. In Istanbul wird gerade mit dem Bau eines Mega-Hubs für mehr als 150 Mio. Passagiere begonnen
. Auch das weiterhin sehr starke Wachstum der Golf-Airlines wird deutlich unterschätzt. Vor wenigen Wochen musste die Lufthansa AG die Einstellung der Strecke Frankfurt -Abu Dhabi bekannt geben. Weitere Streckeneinstellungen werden folgen. Die Golf-Airlines graben der Lufthansa AG auch das Geschäft mit Asiaten/Amerikanern ab, die in die USA bzw. Asien fliegen wollen. Wie das Wall Street Journal am 6. November 2014 berichtete, wollen Emirates, Etihad und Quatar Airways den größten Luftfahrt-markt der Welt „knacken“ und planen eine große Erweiterung ihrer Flugverbindungen von den Golfstaaten in die USA.

Chinesische Investoren interessieren sich – wie der Tagesspiegel am 20.06.2014 berichtete - für den Flughafen Athen und wollen diesen zum Umsteigehub für mehr als 50 Mio. asiatische Touristen entwickeln. Für Fluggesellschaften wie Easyjet und Ryanair ist der Frankfurter Flughafen zu teuer. Die Low Cost Carrier (LCC) werden deshalb kein Wachstum am Flughafen herbeiführen. Zudem gab Ryanair Pläne für den Aufbau einer Billig-Langstrecke für Nordamerikaflüge bekannt. Neben zahlreichen Direktverbindungen werden vermutlich Drehkreuze in London und Dublin eingerichtet werden. Diese liegen geografisch – in der richtigen Richtung - wesentlich günstiger als Frankfurt. 

Zudem befasst sich Intraplan nicht mit den rechtlichen und politischen Risiken des Wachstumswahns des Frankfurter Flughafens. Vor dem Verwaltungsgerichtshof Kassel sind noch ca. 60 Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss aus 2007 anhängig. Den Klägern steht eine volle Tatsacheninstanz zur Verfügung. Es können erstmals Erkenntnisse aus dem Realbetrieb der Landebahn Nordwest in den Prozess eingeführt werden. Es bleibt abzuwarten, wie der Verwaltungsgerichtshof Kassel und ggf. das Bundesverwaltungsgericht die offensichtlich fehlerhaften Prognosen sowie manipulierte Gutachten zu Wirbelschleppenrisiken oder dem Nichtfunktionieren der Südumfliegung bewertet. Ein An- und Abschwellen des Fluglärms in den Nachtrandstunden findet – entgegen den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts – in der Praxis nicht statt. Es bleibt abzuwarten, ob das Gericht die Betriebsbeschränkungen in den Nachtrandzeiten ausdehnen wird.

Auch aus der NORAH-Studie, die mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ergebnisse vieler internationaler Studien zum Thema Gesundheitsschädigung durch Fluglärm bestätigen wird, können sich erhebliche Risiken für das Wachstum des Flughafens ergeben. Die bereits veröffentlichte„NORAH-Kinderstudie“ hat Lernentwicklungsstörungen und eine erhöhte Einnahme von Medikamenten bei Kindern festgestellt, die Fluglärm ausgesetzt sind.
  All dies wird im Auftragsgutachten der Intraplan, dem jede Unabhängigkeit fehlt, nicht berücksichtigt bzw. völlig intransparent und unzureichend dargestellt. Auf ein derartiges Gutachten von Intraplan kann vernünftigerweise keine Investitionsentscheidung von mehr als 2,5 Milliarden Euro gestützt werden. Dies gilt auch für das Auftragsgutachten von MKmetric. Die Gesellschaft ist im Markt völlig unbekannt und ihre Begutachtung leidet an den gleichen Mängeln.

Unabhängig von Finanzkrisen wird die Entwicklungsperspektive für die Fraport-Aktie sehr skeptisch von der Bank HSBC eingestuft
. Auch wenn einige Aktien-Analysten von in Frankfurt geschäftsansässigen Banken Fraports Wachstumsvisionen positiv kommentieren, kommen internationale Beobachter zu kritischeren Schlussfolgerungen. Wie aus einer Studie der in London ansässigen Bank HSBC zu entnehmen ist wird insbesondere die überwiegende Abhängigkeit der Fraport AG von der Lufthansa kritisch gesehen, zumal Lufthansa zurzeit seine Kapazitäten reduziert. Für andere expandierende Airlines, insbesondere Billigflieger, sei der Flughafen uninteressant (“…..the appetite of airlines other than Lufthansa and partners to add capacity to Frankfurt is extremely constrained.”). Weiter heißt es: “Thinking of European low cost airlines, the attraction to Frankfurt is limited. There is no inbound leisure demand.”

Auch die Star Alliance Partner der Lufthansa hätten kein weiteres Interesse, das Geschäft in Frankfurt auszubauen. So heißt es in der Studie: „However, most key Lufthansa partners are already estab¬lished in Frankfurt.“ Ohnehin werde mit dem Ground Handling Business kein Gewinn erzielt („around break even at EBIT, Seite 44). Schließlich wird lange ausgeführt, dass das Einzelhandelsgeschäft schwach ist. Dies gilt insbesondere für Terminal 2 und Flugsteig A+.

Die Studie von HSBC zeigt klar die Risiken des Geschäftsmodels für den Frankfurter Flughafen auf. Es scheint nicht mehr als ein Strohhalm der Hoffnung zu sein, dass sich durch den Bau des Terminals 3 die Retail-Ergebnisse, die mehr als 50 % der Fraport-Erlöse ausmachen, verbessern lassen. Auf diese Erweiterung des Retail-Geschäftes setzt der HSBC-Analyst und offenbar auch Fraport-Chef Dr. Stefan Schulte. Die vage Hoffnung auf eine Verbesserung der Retail-Ergebnisse kann aber nicht Maßstab und die Grundlage für eine Investitionsentscheidung von ca. 2,5 Milliarden Euro für den Bau des Terminals 3 sein. Die Investition liegt in Höhe des Gesamtumsatzes des Fraport-Konzerns, die Finanzverschuldung verdoppelt sich und das Betriebsergebnis in den kommenden 10 bis 20 Jahren wird sich auf Grund der sprungfixen Zusatzkosten für Betrieb und Abschreibung von Terminal 3 halbieren.

Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass das Geschäftsmodell der Fraport AG erhebliche Risiken birgt, die nicht ansatzweise von den Gutachtern berücksichtigt wurden. Insbesondere der stetig zunehmende Point to Point – Verkehr wird dem Frankfurter Flughafen ebenso zusetzen wie das massive Wachstum der Golf-Airlines und von Turkish Airlines und der Aufbau von Langstecken-Direktverbindungen außerhalb von Frankfurt durch den Lufthansa-Konzern. Sollten Ryanair und Easyjet tatsächlich Interkontinentalflüge in die USA anbieten, würde der Wettbewerb in einem Geschäftsfeld dramatisch verschärft, dass bislang zu den profitabelsten der Lufthansa AG gehört. Eine Krise der Lufthansa AG würde 1:1 auf den Frankfurter Flughafen „durchschlagen“, dessen größter Kunde die Kranich-Airline ist. Die Fraport AG wäre gut beraten, Terminal 3 nicht zu bauen und ernsthaft andere und günstigere Erweiterungsmöglichkeiten zu prüfen, sofern diese auf Grund der sich abzeichnenden Entwicklungen überhaupt benötigt werden. Man darf auch gespannt sein, was die „Bedarfsprüfung“ des Hessischen Wirtschafts- und Verkehrsministers Tarek Al-Wazir ergibt – spielt die Politik nur Schmierentheater oder zieht Al-Wazir einen „Joker“ um den Bau des Terminal 3 zu verhindern?  Die hessischen Grünen – von der Frankfurter Rundschau als die neue FDP bezeichnet – wären jedenfalls politisch erledigt, wenn ein grüner Wirtschafts- und Verkehrsminister den Spaten zum Bau des Terminal 3 in den Boden rammt.