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Initiative gegen Fluglärm Mainz

Ryanair am Frankfurter Flughafen - Verzweiflungstat zu Lasten der Region und des Flughafens selbst

Der Ausbau des Frankfurter Flughafens basiert maßgeblich auf den Verkehrsprognosen, die der Gutachter Intraplan im Jahre 2007 für das Planfeststellungsverfahren erstellt hatte. Damals gab es am Frankfurter Flughafen ca. 490.000 Flugbewegungen. Im Jahr 2020 sollten es nach den Prognosen von Intraplan 701.000 Flugbewegungen sein. Der Planfeststellungsbeschluss wurde erlassen und die Landebahn Nordwest gebaut. Im letzten Jahr wurde mit dem Bau des Terminal 3 begonnen. Insgesamt wird der Ausbau des Frankfurter Flughafens vermutlich zwischen 7 und 8 Milliarden Euro kosten. Da kommt es sehr ungelegen, dass sich Intraplan bei seinen Prognosen „ein wenig verschätzt“ hat. Im vergangenen Jahr gab es nämlich „nur“ ca. 463.000 Flugbewegungen und damit weniger als im Jahr der Prognoseerstellung (2007) selbst.


Später korrigierte Intraplan die Prognose für 2020 um mehr als 170.000 Flugbewegungen auf 529.000 Flugbewegungen. Aber auch diese Prognose wird sich als falsch erweisen. „Was tun?“ wird sich der Vorstandsvorsitzende der Fraport AG, Stefan Schulte gefragt haben, dessen Vorstandsvertrag im Jahr 2018 auslaufen wird. Es muss Wachstum her um die vorhandenen Kapazitäten zu füllen und den Anteilseignern, insbesondere dem Land Hessen und der Stadt Frankfurt a.M. und dem Kapitalmarkt eine Wachstumsstory zu präsentieren. Da die Lufthansa AG als Hauptkunde des Frankfurter Flughafens „schwächelt“ und mit ihrer Plattform Eurowings Point to Point Verbindungen außerhalb von Frankfurt ausbaut, sollen Billigflieger am Frankfurter Flughafen selbst für den dringend benötigten Wachstumsschub sorgen. Strahlend und medienwirksam präsentierte Schulte Ryanair als neuen Kunden, der seit dem 26. März 2017 2 Flugzeuge am Flughafen stationierte und 4 Ziele anfliegt, die teilweise schon von anderen Airlines bedient werden. Möglich machen dies politisch und rechtlich höchst umstrittene Rabatte, die der grüne Verkehrsminister Tarek Al-Wazir im Rahmen der neuen Entgeltordnung für den Frankfurter Flughafen genehmigte und von denen Ryanair in eklatant wettbewerbswidriger Weise zu lasten von Lufthansa, Condor und anderen Airlines profitiert. Al-Wazir fehlte schlicht der Mut, das Rabattprogramm abzulehnen und vermutlich stand er auch unter großem Druck, nicht als „Wachstumsverhinderer“ in die Geschichtsbücher einzugehen. Wenige Tage nach der Genehmigung der Rabattordnung kündigte Ryanair an, ab dem Winterflugplan 5 weitere Flugzeuge am Frankfurter Flughafen zu stationieren und stockte die angebotenen Ziele auf 24 auf, von denen 17 allerdings durch andere Airlines teils mehrfach täglich angeflogen werden. Inzwischen hat Ryanair bereits für den September eine vorgezogene Erhöhung der Ziele angekündigt. Insgesamt wird Ryanair ca. 13.300 Flugbewegungen im Jahr (gerechnet ab 2018) am Frankfurter Flughafen durchführen. Etwa 10.000 Flugbewegungen entfallen dabei auf Strecken, die bereits von anderen Airlines angeboten werden.

Es bestehen allerdings erhebliche Zweifel, ob Ryanair wirklich dauerhaft für einen Wachstumsschub am Frankfurter Flughafen sorgen wird. Die Rabatte für die angebotenen Strecken sind auf drei Jahre befristet. Eine Verlängerung des Programms ist für diese Strecken nicht möglich. Ryanair wird die Gewinne gerne mitnehmen. Bleiben diese aus oder reduzieren sie sich, werden die Flugzeuge an anderen Flughäfen eingesetzt, die Ryanair dann gewinnbringende Rabatte gewähren.  Auf diese Weise verfährt Ryanair seit vielen Jahren. Das gesamte Geschäftsmodell von Ryanair basiert auf Rabatten, Marketingzuschüssen und weiteren versteckten Subventionen, die die Billigfliegerei letztlich überhaupt zu Lasten des Steuerzahlers ermöglichen. Die regulären Entgelte am Frankfurter Flughafen werden es Ryanair nicht erlauben, kostengünstige Flüge anzubieten. Hinzu kommt, dass Ryanair Lohndumping betreibt, Piloten als Scheinselbständige einsetzt und mit irischen Arbeitsverträgen versucht, das deutsche Arbeitsrecht auszuhebeln. Erwartet wird ein knallharter Verdrängungswettbewerb zwischen Ryanair, Condor und Lufthansa, den die beiden alteingesessenen Airlines nur verlieren können. Sicher werden auch Neukunden durch Ryanair angezogen; im wesentlichen wird Ryanair aber versuchen, den beiden anderen Fluggesellschaften Bestandskunden abzujagen. Das Potential an Neukunden im Rhein-Main-Gebiet gilt als begrenzt. Ryanair verfügt über keinen Zubringerverkehr für Europa-Passagiere. Die Ryanair-Passagiere müssen deshalb aus der Region kommen. In den letzten 15 Jahren ist die Passagierzahl des Frankfurter Flughafens praktisch nur durch den Umsteigeverkehr gewachsen. Es wird also eine gegenseitige „Kannibalisierung“ unter den Airlines stattfinden, die durch Preisverfall, Kosteneinsparungen, Lohndumping und Verdrängung gekennzeichnet sein wird. Für die Flughafenanwohner wird sich die Belastung durch den Anstieg der Flugbewegungen zunächst erhöhen bevor entweder Ryanair selbst oder andere Fluggesellschaften nach und nach Strecken, die mehrfach angeboten werden, wieder einstellen. Für den Sommerflugplan 2017 hat der Frankfurter Flughafen einen Anstieg der Flugbewegungen um ca. 1,7%gegenüber dem Vorjahr angekündigt, wobei ca. 1% auf die neuen Ryanair-Verbindungen entfallen. Insgesamt ist der Luftverkehrsmarkt ohnehin durch starke Überkapazitäten geprägt, was für den Frankfurter Flughafen sicher bedeutet, dass tausende Verbindungen jährlich von Airlines lediglich aus Wettbewerbsgründen und ohne Aussicht auf Gewinne durchgeführt werden. Diese Überkapazitäten werden mittelfristig verschwinden, spätestens wenn der Ölpreis wieder auf sein altes Niveau steigen wird.

Die Ansiedlung von Ryanair am Frankfurter Flughafen erinnert aber auch an das Brecht-Zitat „Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber“. Das Geschäftsmodell von Ryanair, europaweite Point to Point-Verbindungen anzubieten, führt nämlich zu einer Aushöhlung der Drehkreuzfunktion des Frankfurter Hubs. Auch wenn Ryanair mit 7 Flugzeugen Direktverbindungen von und nach Frankfurt a.M. anbietet und für einen gewissen Wachstumsschub sorgen wird, hat Ryanair weitere ca. 400 Flugzeuge im Einsatz, die täglich mehr als 1000 Direktverbindungen von über 100 Flughäfen in Europa und Nordafrika anbieten. Mit diesen Direktflügen wird ein mühsames Umsteigen an den großen Hubs überflüssig. Lufthansa und die weiteren Hub-Airlines werden einen erheblichen Teil dieser Umsteiger auf Europastrecken an Ryanair und andere Billigairlines verlieren. In den Fliegern zu den Drehkreuzen Frankfurt und München sitzen nämlich nicht nur Passagiere mit den Zielen Frankfurt und München sowie Umsteiger nach Asien und Amerika, sondern zu fast 50% auch Umsteiger zu Europazielen. Diesen Passagieren wird jedes Jahr eine wachsende Anzahl von Direktverbindungen von ihrem Heimatflughäfen angeboten. Zudem hat Ryanair angekündigt, für die irische Fluggesellschaft Air Lingus Zubringerflüge nach Dublin durchzuführen.  Dublin liegt geografisch sehr günstig für Umsteigepassagiere nach Nordamerika. Ryanair wird voraussichtlich ab dem Herbst 2017 Passagiere aus ca. 90 Städten nach Dublin fliegen, damit diese von dort in Air Lingus-Maschinen in die USA weiterfliegen. Diese sind bislang jedenfalls teilweise mit Lufthansa über den Frankfurter Flughafen umgestiegen. Möglicherweise wird Fraport-Chef Schulte seine Freude über den Ryanair-Coup schon bald vergehen.

Mit dem Anlocken von Ryanair durch Rabatte hat Fraport auch einen handfesten Streit mit dem Hauptkunden Lufthansa angezettelt, der mit einer Klage gegen das Rabattprogramm droht, sofern er nicht die gleichen Rabatte wie Ryanair erhält. Zudem hat Lufthansa angekündigt, weitere Langstreckenflugzeuge des Typs A 350 in München (und nicht in Frankfurt) zu stationieren und ihren Hubverkehr über München, Wien, Zürich und Brüssel weiter auszubauen. Die Flughafengebühren sind dort niedriger als in Frankfurt. In München betreibt die Lufthansa mit der Flughafengesellschaft zudem ein Terminal, dass Lufthansa zu 40% mitfinanziert hat und das kürzlich zum weltbesten Terminal gewählt wurde. Auch wenn die Forderungen nach einer dritten Bahn in München immer lauter werden, hat der Flughafen mit aktuell ca. 395.000 Flugbewegungen genügend Kapazitäten um weiter zu wachsen. Ryanair klopfte bislang vergeblich beim Münchener Flughafen an, um attraktive Slots zu erhalten – ein vielleicht cleverer Schachzug der Münchener. Durch kleine Änderungen in der Buchungsmaske kann Lufthansa ihre Umsteigepassagiere statt über Frankfurt auch über andere Drehkreuze weiterfliegen lassen.

Man wird die Entwicklung in Frankfurt natürlich genau beobachten müssen. Sicher wird die Ansiedlung von Ryanair zunächst zu einem moderaten Wachstum am Frankfurter Flughafen führen, Fraport-Chef Schulte in der Richtigkeit seiner Wachstumsstrategie bestätigen und ihm letztlich eine Vertragsverlängerung bescheren. Ob Ryanair dem Flughafen tatsächlich ein nachhaltiges Wachstum bringt, darf jedoch stark bezweifelt werden, da der Verdrängungswettbewerb kurz- bis mittelfristig zum Einstellen von Strecken führen wird, die von mehreren Airlines angeboten werden. Vielmehr könnte sogar sehr schnell ein Bumerang-Effekt eintreten, wenn Lufthansa andere Drehkreuze zu Lasten des Frankfurter Flughafens stärkt. Damit gingen dem Flughafen auch Passagiere verloren, die gerne mal in den Shops am Airport ein paar Euros für Waren lassen, die sie andernorts eigentlich deutlich billiger kaufen könnten.

Für die Flughafenanwohner ist der Einstieg von Ryanair am Frankfurter Flughafen zunächst mit mehr Flugbewegungen und daher mit mehr Fluglärm verbunden. 13.300 Flugbewegungen bedeuten durchschnittlich ca. 37 zusätzliche Flugbewegungen am Tag, verteilt auf zwei Anflugrouten und mehrere Abflugrouten. Aus reiner Profitgier wird die Region also noch stärker verlärmt werden. Der von Stefan Schulte gefeierte Ryanair-Coup ist aber hoch riskant. Er vergrätzt Lufthansa und Condor und täuscht eine Wachstumsvision vor, die sich als „Strohfeuer“ entpuppen wird. In zwei bis drei Jahren wird der Bau von Terminal 3 so weit fortgeschritten sein, dass er unumkehrbar ist. Die Ansiedlung von Ryanair vernebelt den Blick auf die Realitäten. Die Zeche wird am Ende der Steuerzahler begleichen müssen.