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Initiative gegen Fluglärm Mainz

02.02.2013 Kategorie: Kolumne - Das Wichtigste in Kürze

Thorsten Schäfer-Gümbel setzt sich selbst schachmatt – Hessen-SPD bietet Fluglärmgegnern keine Perspektive.

Die SPD in Hessen gehört seit Jahrzehnten zusammen mit der CDU und der FDP zu den Ausbauparteien des Frankfurter Flughafens. Der Planfeststellungsbeschluss zum Bau der Startbahn West vom 23. März 1971 war während der Regierungszeit des SPD-Ministerpräsidenten Osswald erlassen worden. In einer verbindlichen Zusage an die Bevölkerung heißt es in diesem Planfeststellungsbeschluss wörtlich: “Die Befürchtung, dass später eine weitere Start- oder Landebahn errichtet werden könnte, entbehrt jeder Grundlage. Die Genehmigung einer solchen Maßnahme wird auf keinen Fall erteilt.“


Auch er bietet den Fluglärmgegnern keine Perspektive: Möchtegern –Ministerpräsident Thorsten Schäfer-Gümbel, Foto: Wikipedia

Am 14. November 1981 demonstrierten in Wiesbaden mehr als 120.000 Menschen gegen die Startbahn-Pläne. Dem Landeswahlleiter wurden 220.000 Unterschriften für ein Volksbegehren übergeben. Der Antrag auf ein Volksbegehren, der die letzte legale Möglichkeit darstellte, den Bau der Startbahn zu verhindern, endete 1982 mit negativem Bescheid des Hessischen Landtags unter Ministerpräsident Holger Börner (SPD) und der Zurückverweisung wegen Nichtzuständigkeit des Hessischen Staatsgerichtshofs. Den Grundstein für den weiteren Ausbau des Frankfurter Flughafens legte 1998 der damalige Hessische Ministerpräsident Hans Eichel (ebenfalls SPD), der ein „Mediationsverfahren“ einleitete. Dabei stand bei der Einleitung dieses „Mediationsfahren“ das Ergebnis bereits fest, nämlich dass es zu einem weiteren Ausbau des Frankfurter Flughafens kommen würde. Am 1. Juni 2007 stimmte der Hessische Landtag mit überwältigender Mehrheit dem Bau einer neuen Landebahn zu. 88 Ja-Stimmen der Ausbauparteien standen am Ende nur 14 Nein-Stimmen – 12 von den GRÜNEN und zwei von SPD-Parlamentarierinnen – gegenüber. Bereits damals prophezeite der Fraktionsgeschäftsführer der GRÜNEN, Frank Kaufmann, dass es das versprochene Nachtflugverbot von 23:00 Uhr bis 5:00 Uhr nicht geben werde.

Langjähriger Vorstandsvorsitzender der Fraport AG war der Genosse Wilhelm Bender.
Er brachte den Frankfurter Flughafen 2001 an die Börse und forcierte die Internationalisierung des Unternehmens sowie den Ausbau des Flughafens. Wer diese Historie kennt, hätte wissen müssen, dass die Hessen-SPD auch heute weiterhin zum Ausbau des Frankfurter Flughafens steht und lediglich Lippenbekenntnisse zur Verbesserung des Lärmschutzes abgeben wird.

Am 23. Januar 2013 gab der hessische SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel bekannt, dass ein von der Hessen-SPD eingeholtes Gutachten ergeben habe, dass keine rechtlichen Möglichkeiten für eine künftige Landesregierung bestünden, den Lärmschutz der Flughafenanwohner zu verbessern. Selbst die Schaffung eines erweiterten Nachtflugverbots von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr sei rechtlich unmöglich. Zur Lösung des Konflikts zwischen Flughafen und Anwohnern schlug Herr Schäfer-Gümbel einen Dialog mit allen Beteiligten und Betroffenen, also den Bürgerinitiativen, den Kommunen, den Fluggesellschaften und dem Flughafen selbst vor. Dieses Ansinnen hat das Bündnis der Bürgerinitiativen scharf zurückgewiesen. Tatsächlich ist es in höchstem Maße naiv, daran zu glauben, die Fraport AG würde freiwillig Zugeständnisse beim Lärmschutz machen. Dies weiß auch Thorsten Schäfer-Gümbel. Die Fraport AG hat bereits wiederholt Forderungen nach einem erweiterten Nachtflugverbot zurückgewiesen und fordert stattdessen eine „Aufweichung der starren 23-Uhr-Frist“. Ohnehin sei Fluglärm ja nur Kopfsache, wie Fraport-Chef Stefan Schulte die Fluglärmgeschädigten wissen ließ. Wir berichteten hierüber im Newsletter vom 17. September 2012. Mehrere 100 Lobbyisten der deutschen Luftverkehrswirtschaft sind tagtäglich in Berlin und Brüssel unterwegs und versuchen, selbst das dürre Nachtflugverbot von 23:00 Uhr bis 5:00 Uhr auszuhebeln.

Thorsten Schäfer-Gümbel hat kein Interesse daran, tatsächlich Verbesserungen beim Lärmschutz zu erreichen. Dies belegt seine Vorgehensweise. Wenn er ernsthaft den Willen gehabt hätte, im Verhandlungswege eine Verbesserung des aktiven Lärmschutzes zu erreichen, hätte er zunächst eine starke Verhandlungsposition gegenüber Fraport aufbauen müssen. Hierzu hätte beispielsweise die Drohung gehört, notfalls Verbesserungen des Lärmschutzes rechtlich durchzusetzen. Ein wirklich fundiertes Gutachten zu diesem Thema hätte nur ein Gutachter erstellen können, der sich seit Einleitung des Planfeststellungsverfahrens unentwegt mit der Thematik des Flughafenausbaus befasst hat. Der Erlass des Planfeststellungsbeschlusses hat eine jahrelange Vorgeschichte, der Beschluss selbst umfasst mehr als 2.400 Seiten und ca. 70 Aktenordner mit Anlagen. Ohne Detailkenntnisse des Verfahrensgangs und der Akteninhalte ist es vollkommen ausgeschlossen, ein Gutachten über die Zulässigkeit nachträglicher Betriebsbeschränkungen anzufertigen. Bereits wenige Stunden nach Bekanntwerden des Gutachtens ist dieses fachlich scharf kritisiert worden. Die GRÜNEN im Hessischen Landtag haben angekündigt, im Februar ein eigenes Gutachten zu präsentieren. Es wird nicht lange dauern, bis auch die klagenden Kommunen und Musterkläger Rechtsgutachten einholen lassen. Es kann bereits heute prognostiziert werden, dass es – wie in der Juristerei nicht ganz unüblich – unterschiedliche Auffassungen zu den Möglichkeiten geben wird, weitere Lärmminderungsmaßnahmen rechtlich umzusetzen. Allein aber diese Rechtsunsicherheit hätte schon genügt, die Fraport AG stark unter Druck zu setzen. Diese Möglichkeit hat Thorsten Schäfer-Gümbel nicht genutzt. Er wollte vermeiden, der Fraport AG mit juristischen Mitteln zu drohen. Er hat sich damit (gewollt) in eine derart erbärmliche Verhandlungsposition manövriert, die einem „Offenbarungseid“ gleichkommt.

Warum sollte sich Fraport im Verhandlungswege freiwillig auf nachhaltige Verbesserungen des aktiven Lärmschutzes einlassen? Vermutlich dürfte Fraport über die Vorgehensweise von Thorsten Schäfer-Gümbel sogar (angenehm) überrascht gewesen sein. Für die Bürgerinitiativen bestehen keine Zweifel, dass Thorsten Schäfer-Gümbel kein Interesse daran hat, nachhaltige Verbesserungen im Lärmschutz für die Flughafenanwohner zu erreichen. Seine Bekenntnisse sind bloße Heuchelei. Thorsten Schäfer-Gümbel hat damit die große Chance einer Wiedergutmachung des von der hessischen SPD begangenen Unrechts im Zusammenhang mit dem Flughafenausbau vertan. Die hessischen Fluglärmgegner werden ihn hierfür bei der Hessenwahl abstrafen.

Dass der juristische Kampf um den Flughafenausbau noch nicht beendet ist, kann auch im Artikel „Ausbaugegner geben sich noch nicht geschlagen“ der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27. Januar 2013 nachgelesen werden.