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Initiative gegen Fluglärm Mainz

Fraport verhöhnt ganze Regionen

Fluglärm ist größtenteils Kopfsache. Dies zumindest behauptete Fraport-Chef Stefan Schulte in Mainz. Schulte redete auf Einladung des Bistums in Mainz im Tageszentrum Erbacher Hof vor Wirtschaftsvertretern über Luftverkehr und Fluglärm und den zwei Seiten der Globalisierung. Der Vorstandsvorsitzende des Flughafenbetreibers sprach von einer „neuen Betroffenheit“ im Mainzer Raum. Dennoch seien 60 bis 70% des Fluglärms psychische Wahrnehmungen, 30 bis 40% das objektiv Messbare. „Das ist das, was Mediziner heute dazu sagen. Im hochbelasteten Flörsheim seien solche Gewöhnungseffekte zu beobachten“ führte Schulte weiter aus.


Verhöhnt die Region: Fraport-Chef Stefan Schulte, Foto: Fraport AG

Verhöhnt die Region: Fraport-Chef Stefan Schulte, Foto: Fraport AG

Kämpft für die Gesundheit der fluglärmgeplagten Menschen: Ministerin Malu Dreyer

Kämpft für die Gesundheit der fluglärmgeplagten Menschen: Ministerin Malu Dreyer

Bereits am Tag der Veröffentlichung des Artikels brach ein Sturm der Entrüstung aus. Schon um die Mittagszeit hatten die rheinlandpfälzische Gesundheitsministerin Malu Dreyer und Prof. Dr. Thomas Münzel von der Universitätsmedizin in Mainz die Pressemitteilung „Aussagen des Fraport-Chefs nicht akzeptabel“ herausgegeben. Dort heißt es u.a.:

Der Versuch, die konkrete Betroffenheit der Menschen durch Lärm zwischen subjektiven und objektiven Größen aufzuteilen zeigt, wie wenig Verständnis für das Problem bei der Fraport AG vorhanden ist. Im Übrigen ist es für die gesundheitsschädigende Wirkung relativ unerheblich, ob man sich allmählich an den Lärm gewöhnt. In diesem Sinne sind die Ausführungen fast sogar zynisch“.

In der Pressemitteilung wird darauf hingewiesen, dass Lärm immer belastend und gesundheitsschädigend wirke. Insofern sei eine Aufteilung in objektiv messbaren Lärm und psychische Wahrnehmung absolut sachfremd. Außerdem gäbe es zu diesem Thema Studien, die klar nachweisen, dass bei Lärmbetroffenen auch nach sehr langer Zeit der Blutdruck erhöht sei und sie damit Herzinfarkt- und Schlaganfall gefährdet blieben. „Die Menschen fühlen sich von der Fraport AG nicht im geringsten ernst genommen, wenn sie von verantwortlicher Stelle hören müssen, dass der Großteil der empfundenen Belastung Einbildung seien“ ergänzt Malu Dreyer. Sie rief die Fraport AG auf, sich ernsthaft mit den Folgen des Fluglärms auseinanderzusetzen.

Weder in ihrer Samstags- noch in ihrer Montagsausgabe griff die Mainzer Allgemeine Zeitung diese Aussagen auf. Ein eigener Kommentar zu diesen Aussagen war ohnehin nicht zu erwarten. Der Sturm der Entrüstung setzte sich dann am 10. September 2012 fort. Sowohl die SPD-Stadtratsfraktion als auch die Bezirksärztekammer Rheinhessen griffen die indiskutablen Äußerungen des Fraport-Chefs auf.
So heißt es in der Pressemitteilung der Bezirksärztekammer Rheinhessen:

Diese Äußerungen Schultes und sein erneutes Infragestellen eines strikten Nachtflugverbots sind nach Ansicht der Ärztekammer an Zynismus nicht zu überbieten und zeigen erneut, wie wenig Fraport und sein Hauptaktionär, das Land Hessen die Gesundheit der Menschen im Rhein-Main-Gebiet interessiert. Es geht eindeutig nur um wirtschaftliche Interessen und Profitmaximierung. Es gibt zwischenzeitlich mehr als genug wissenschaftliche Studien, die die krankmachende Wirkung von Lärm, und gerade auch von Fluglärm belegen. Dass weder die Politik noch Fraport bereit sind, dies anzuerkennen, spricht für sich.“

Die Bezirksärztekammer Rheinhessen bekräftigte auch ihre Kritik an der vom Land Hessen und Fraport größtenteils finanzierten NORAH-Studie zum Fluglärm. Aufgrund bereits vorliegender Daten sei diese Studie nicht erforderlich. Ohnehin sei das Ergebnis der NORAH-Studie schon jetzt vorherzusagen. Wörtlich führt der Kammervorsitzende Dr. Hoffart zum erwarteten Ergebnis der Studie ironisch aus:

Es kann nicht bewiesen werden, dass Fluglärm für die Gesundheit schädlich ist. Dank Fraport leben wir in Rhein-Main in einem wirtschaftlich prosperierenden Kurgebiet.“

Am Dienstag, den 11. September 2012 schaffte es dann die Mainzer Allgemeine Zeitung, im Lokalteil die kritischen Stimmen ohne eigenen Kommentar wiederzugeben. Der Druck von Politikern und Ärzten war offenbar zu groß geworden, um die unsäglichen Schulte-Aussagen „unter den Teppich zu kehren“.

Glänzend kommentiert wurden die Aussagen des „Beichtvates Schulte“ durch Lars Reichow in seinem WECKRUF, der regelmäßig in der Allgemeinen Zeitung Mainz erscheint. Dort ist von „Wachstumsmonster“, „Fraport-Flugschau“ und „Rendite-Paradies“ im Zusammenhang mit dem Frankfurter Flughafen die Rede.

Aufgrund der sehr guten Kommentierungen der Schulte-Aussagen können wir uns einen eigenen Kommentar im Grunde ersparen. Es ist jedoch schon verwunderlich, wie unsensibel, ja geradezu dümmlich Stefan Schulte mit dem Thema Fluglärm umgeht und unentwegt die Anwohner des Flughafens provoziert. Denken ist eben auch Kopfsache, Herr Schulte! Zu Recht hat deshalb auch Prof. Dr. Münzel den Rücktritt des Flughafen-Chefs gefordert.