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Initiative gegen Fluglärm Mainz

30.08.2012 Kategorie: Kolumne - Das Wichtigste in Kürze

Lärm macht krank aber wir tun nicht nur nichts dagegen, wir lassen es zu, dass es überall immer lauter wird

Mit diesen Sätzen beginnt ein Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 24. August 2012 unter der Überschrift „Warum tun wir uns das an“? Die Verfasserin Lucia Schmidt zitiert sodann Robert Koch mit einem Satz, der mehr als 100 Jahre alt ist, das mehr als 100 Jahre alt ist: „Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso erbitterlich bekämpfen müssen wie die Cholera und die Pest“.


Den vollständigen Artikel finden Sie hier.

Lucia Schmidt verweist auf die Lärmbilanz 2010 des Bundesumweltamtes. Danach fühlen sich 55 Prozent der Bevölkerung in Deutschland vom Straßenverkehrslärm gestört, 29 Prozent vom Fluglärm und 22 Prozent nehmen Schienenverkehr als Belästigung war. Hinzu kämen Industrie-, Freizeit- und Nachbarschaftslärm. Ruhige Orte gebe es immer weniger in unserer Gesellschaft. Zitiert wird René Weinandy vom Bundesumweltamt, der bestätigt, dass „Lärm als Umweltgift noch immer unterbewertet ist“. Das Problem, so Weinandy, sei nämlich das fehlende „Lärmbewusstsein“. „Lärm wird von Menschen gemacht, und stören tut immer der Lärm der anderen“. Bei Schadstoffen, Wasserverschmutzung oder Müll habe sich mittlerweile ein Alltagsbewusstsein gebildet, bei Lärm nicht. Es gäbe kein „Umweltgift“, das aufgrund von wirtschaftlichen oder persönlichen Interessen so akzeptiert werde wie der Lärm, sagt Weinandy. Dabei sei Lärm kein Solidarisierungsthema, wie oft angenommen, sondern im Wesentlichen immer noch nur ein „Betroffenheitsthema“. Daher müsste die Bevölkerung noch stärker aufgeklärt und mobilisiert werden. Dies sei auch Aufgabe der Politik, führt Weinandy weiter aus. An die Politik hat auch der Deutsche Ärztetag vor kurzem appelliert. Er fordert die Bundesregierung auf, die Gesetze zum Schutz der Bevölkerung vor den Schäden des Fluglärms mit sofortiger Wirkung zu verschärfen, sowie beim Thema Fluglärm den Schutz der Bevölkerung eindeutig vor den wirtschaftlichen Interessen von Fluggesellschaften und Flughäfen rangieren zu lassen. Zu den gesundheitlichen Risiken des Fluglärms gehören Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall, kognitive Einschränkungen, Schlafstörungen und Depressionen.

Dabei hat die sog. Schweizer Nationale Kohortenstudie Erschreckendes ergeben: Menschen, die mehr als 15 Jahre einem Fluglärm-Dauerschallpegel von 60 Dezibel oder mehr ausgesetzt sind, haben ein um 50 Prozent höheres Risiko einen Herzinfarkt zu erleiden, Männer mehr als Frauen. Selbst Kritiker dieser Studie räumen ein, dass die Kausalität zwischen Lärm und Herz-Kreislauf-Erkrankungen „schon ziemlich gut sei“, wie Prof. Dr. med. Rainer Guski von der Ruhr-Universität in Bochum einräumt. Die ganz überwiegende Mehrheit der Lärmforscher unter den Medizinern geht jedoch davon aus, dass bereits ausreichende Evidenz vorliege, um einen Zusammenhang zwischen Fluglärm und Herz-Kreislauf-Erkrankungen darlegen zu können. Genau mit dieser Begründung hat die Bundesärztekammer die Bundesregierung aufgefordert, Gesetze zum Schutz der Bevölkerung vor Fluglärmschäden zu erlassen.

Am Ende des Artikels stellt Lucia Schmidt Überlegungen an, wie der Lärm wirksam bekämpft werden kann. Zu Unrecht verneint sie zunächst eine schärfere Gesetzgebung, da dies eine starke Einschränkung der Mobilität für die gesamte Gesellschaft und für jeden Einzelnen bedeuten würde. Diese Auffassung verkennt, dass die Flughafenanwohner dann zeitlich unbefristet gesundheitsschädigendem Fluglärm ausgesetzt sein werden. Richtig ist, dass die Bekämpfung des Lärms nicht nur eine Aufgabe der Technik und der Industrie ist, sondern vor allem eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dies bedeute, Lärm endlich als Umweltgift anzuerkennen und freiwillige Einschränkungen und Rücksichtnahme als wichtigsten Lärmschutz zu begreifen. Eine Bevölkerung, die über Tempo-30-Verkehrszonen noch diskutiere, Tanzverbote am Karfreitag für Freiheitsberaubung halte, fliege, fahre und reise, wie es jedem passe, ziehe aus dem Problem Lärm keine richtige gesellschaftliche Konsequenz. Sie werde den Kampf gegen die selbst geschaffene Bedrohung so nicht gewinnen.

Und weil dies so ist, ist der Gesetzgeber gefordert, die Bevölkerung vor krankmachendem Lärm zu schützen. Diese Schlussfolgerung wird von Lucia Schmidt allerdings nicht gezogen.