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Initiative gegen Fluglärm Mainz

26.10.2012 Kategorie: Kolumne - Das Wichtigste in Kürze

Ein Jahr Nordwest-Landebahn: 8.000 Demonstranten protestieren gegen den weiteren Ausbau des Frankfurter Flughafens

Zum ersten „Geburtstag“ der Landebahn Nordwest waren ca. 8.000 Demonstranten an den Kundgebungsort der Demonstration am Zaun der Nordwest-Landebahn im Kelsterbacher Wald gekommen. Etwa die Hälfte des einst als Naturschutz- und Erholungsgebiet ausgewiesenen 440 Hektar umfassenden Areal war zum Ausbau des Flughafens abgeholzt und zu einer Landebahn planiert worden.


Wenn die Stewardessen Trauer tragen ...Schwarzer Sonntag - 21. Oktober 2012 - rund um die Landebahn Nordwest, Quelle: http://www.flughafen-bi.de/

Tipps klar formuliert, Quelle: http://www.flughafen-bi.de/

Sonderfahrten und Shuttle-Verkehr sorgten für reibungslose und umweltbewusste Mobilität, Quelle: http://www.flughafen-bi.de/

Gegen 13:00 Uhr hatte die Großdemonstration mit einer Mahnwache im Frankfurter Flughafen begonnen, an der bis zu 1.000 Menschen teilnahmen. Die Menschen begaben sich danach zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit Roller Blades oder den von der Stadt Mainz zur Verfügung gestellten Gelenkbussen zum Zaun der Landebahn Nordwest. Dort hatte das Bündnis der Bürgerinitiativen Getränke- und Essensstände aufgebaut. Nach und nach füllte sich der Kundgebungsplatz. Es waren mehrere Aufrufe erforderlich, enger zusammen zu rücken, damit jedenfalls die Mehrzahl der Demonstrationsteilnehmer Gelegenheit hatte, sich auf den Kundgebungsort zu begeben. Da der Platz nicht ausreichend war, mussten zahllose Demonstrationsteilnehmer auf dem Zufahrtsweg die Kundgebung verfolgen. Obwohl die Polizei im Vorfeld der Demonstration mitgeteilt hatte, dass der Kundgebungsort  5.000 bis 6.000 Menschen Platz biete, teilten sie der erstaunten Presse später mit, dass lediglich ca. 3.500 Fluglärmgegner an der Demonstration teilgenommen hätten. Hier zeigt sich deutlich die Handschrift des Frankfurter OB-Wahlverlierers Boris Rhein, dem als Innenminister die Polizei in Hessen unterstellt ist.

Eingeläutet wurden die Aktionen auf der Kundgebung musikalisch (hier Video auf YouTube ansehen). Den Höhepunkt bildete der Auftritt von drei blonden Damen in schwarzer Trauerkleidung, die den Song „An Tagen wie diesen“ der „Toten Hosen“ umgetextet hatten. „In Zeiten wie diesen, wo bleibt da die Menschlichkeit? In Zeiten wie diesen, zählt nur noch die Profitgeilheit“.

Auch die Mombacher „Guggenmusiker“ Level Lots heizten den Demonstrationsteilnehmern ordentlich ein. Sie waren schwarz gekleidet erschienen, auch um dem von der Bürgerinitiative Gegenwind 2011 ausgerufenen Motto „Der schwarze Sonntag“ Rechnung zu tragen.

Auf der von Erwin Stufler souverän moderierten Kundgebung sprach zunächst John Stewart von der Europäischen Vereinigung gegen die schädlichen Auswirkungen des Luftverkehrs (UECNA). Er war mit dem Zug aus London angereist. Er würdigte die Kampfbereitschaft der Bürgerinitiativen und ihrer Mitglieder und sprach ihnen mit den Worten „Ihr seid nicht allein, Aktivisten in ganz Europa verfolgen Eure Proteste“ Mut zu. Der seit einem Jahr anhaltende Widerstand gegen die Landebahn sei eine historische Leistung. Der Protest in Frankfurt ermutige längst auch Gegner von Flughafenerweiterungen in Großbritannien und Italien, führte Stewart aus. Er verwies auf den Umstand, dass mehr als 40% der Flüge in Europa kürzer als 500 Kilometer seien. Würden diese Flüge auf die Schienen verlagert, seien kaum mehr Flughafenerweiterungen nötig.

Hauptredner auf der Kundgebung war Heiko Holefleisch, der Sprecher der Bürgerinitiative Mainspitze. Er kritisierte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) als „Lakai der Luftfahrtlobby“ und warf der Hessischen Regierungskoalition vor, dass sie längst wisse, dass der Ausbau des Flughafens Resultat einer Fehlplanung sei. „Politisch und ökologisch ist dieser Flughafen längst außer Kontrolle geraten“, betonte Holefleisch. Bezugnehmend auf die hessischen Landtagswahlen 2013 forderte er den SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel auf, sich der Forderung des Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann (SPD) nach einen umfassenden Nachtflugverbot von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr anzuschließen und sich gegen einem weiteren Ausbau des Frankfurter Flughafens, insbesondere den Bau von Terminal 3 auszusprechen. Hauptforderung der Bürgerinitiativen bleibt allerdings die Schließung der Landebahn Nordwest.

Unter den Demonstrationsteilnehmern befanden sich der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling und die Umweltdezernentin Kathrin Eder.
Die Stadt Mainz hatte, wie eingangs erwähnt, unserer Bürgerinitiative gegen einen Obolus drei Gelenkbusse zur Verfügung gestellt. Viele hessische Demonstranten registrierten den Beitrag der Stadt mit Staunen. Von den derzeit Regierenden können sich die hessischen Fluglärmgegner keine Unterstützung erwarten.

Es war eine großartige Veranstaltung, die weit mehr Demonstrationsteilnehmer bei herrlichstem Herbstwetter verdient gehabt hätte. Die Mainzer Umweltdezernentin Kathrin Eder zeigte sich deshalb nicht wirklich zufrieden. Auch sie hatte gehofft, dass noch deutlich mehr Menschen den Weg an die Lärmquelle finden. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Veranstaltung in die hessischen Herbstferien fiel. Aber auch wir hätten uns vorstellen können, dass noch mehr Menschen aus Mainz und Rheinhessen an der Veranstaltung teilnehmen.

Völlig unbeeindruckt von den Leiden der Flughafenanwohner zeigt sich weiterhin die schwarz-gelbe Landesregierung in Hessen. Eine Einschränkung des Flugverkehrs am Frankfurter Flughafen, insbesondere ein erweitertes Nachtflugverbot von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr und eine Deckelung der Flugbewegungen kommt für sie keinesfalls in Betracht. Wirtschaftsminister Florian Rentsch (FDP) hatte vielmehr im Vorfeld des Jubiläums die neue Landebahn verteidigt und die positive Wirkung des Nachtflugverbots betont. „Damit hat die Landesregierung einen Ausgleich zwischen den Interessen der Anwohner und den der Luftfahrt gefunden“, erklärte Rentsch. Zynischer kann man sich nicht gegenüber den Fluglärmgegnern äußern.

Politiker der CDU hatten hervorgehoben, dass der Ausbau des Flughafens neue Wachstumschancen eröffnet habe. Allerdings ist nicht einmal der wirtschaftspolitische Sprecher der hessischen CDU, Walter Arnold, in der Lage, genaue Zahlen zu liefern. In einem an Peinlichkeit nicht zu überbietenden Interview mit der Frankfurter Rundschau, das im höchsten Maße lesenswert ist, blamiert sich Walter Arnold mit einer schier unfassbaren Kenntnislosigkeit zu verschiedenen Themen des Frankfurter Flughafens. Die Verwechslung der Höhenangabe Meter mit Fuß erinnert dabei sehr an die Brutto/Netto-Irritationen von Angela Merkel.

HR-Info hatte am 19. Oktober 2012 berichtet, dass nach ihren Recherchen etwa 1.000 bis 1.500 neue Arbeitsplätze im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme der Landebahn Nordwest und der Eröffnung des Flugsteigs A Plus entstanden seien. Nahezu sämtliche dieser Arbeitsplätze seien im Niedriglohnsegment angesiedelt. Alle weiteren von der Fraport AG genannten Arbeitsplatzzuwächse beruhten auf verlagerten aber nicht neu geschaffenen Arbeitsplätzen. Die Deutsche Flugsicherung habe die Anzahl der Flutlotsen um 30 erhöht. Abzuwarten bliebe aber noch der Personalabbau bei der Lufthansa AG, die sich im Rahmen des Score-Programms von 1.500 Mitarbeitern der Verwaltung (also qualifizierten und besser bezahlten Mitarbeitern) trennen will. Bis zu 100.000 neue Arbeitsplätze waren von der Fraport AG und ihren Mehrheitsgesellschaften (Land Hessen und Stadtwerke Frankfurt) als Rechtfertigung für den Ausbau des Flughafens (einschließlich Terminal 3) in Aussicht gestellt worden. Diese Zahl wird nie und nimmer erreicht werden. 1.500 Arbeitsplätze entsprechen etwa 0,05% der Arbeitsplätze im Rhein-Main-Gebiet (2.900.000 einschließlich der Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst und der Beamtenstellen).