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 Bundesverwaltungsgericht in Leipzig
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 Bundesverwaltungsgericht in Leipzig
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 Heuchler unter sich |
Am 13. und 14. März 2012 fand die Verhandlung zum Bau der Nordwestbahn vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Das Urteil wird für den 4. April 2012 erwartet. Dabei wird das Bundesverwaltungsgericht aller Wahrscheinlichkeit nach das Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen zwischen 23:00 Uhr und 05:00 Uhr bestätigen. Dabei machte der Vorsitzende Richter deutlich, dass die Erlaubnis von Nachtflügen „an sehr hohe Hürden gebunden sei. Die schiere Bedeutung eines Flughafens allein sei nicht ausreichend. Vor allem sei wichtig, wie viele Wohnsiedlungen in der Nähe lägen. Zudem seien die Lärmschutzbelange enorm wichtig. Auf die Nachtruhe der Bevölkerung müsse in besonderem Maße Rücksicht genommen werden.“ Dabei hatte das Land Hessen in der Revisionsverhandlung vehement dafür gekämpft, dass 17 Nachtflüge zwischen 23:00 Uhr und 05:00 Uhr weiterhin durchgeführt werden können. Der Rechtsanwalt des Landes Hessen griff den Vorsitzenden Richter lautstark und scharf an. „Die Luftverkehrswirtschaft habe schwer investiert“ so Anwalt Gronefeld. Und weiter: „Es gehe darum, dass das System weiter funktionieren kann“. Dieses Verhalten war im höchsten Maße entlarvend für die wahren Absichten der Hessischen Landesregierung, Nachtflüge am Frankfurter Flughafen „durchzudrücken“. Diese hatte über Monate hinweg den Fluglärm geplagten Anwohnern vorgeheuchelt, sie hofften auf die Bestätigung des Nachtflugverbots.
Sollte das Bundesverwaltungsgericht das Nachtflugverbot bestätigen, wäre dies als ein kleiner Teilerfolg zu werten. Es ist allerdings eine Schande, dass sich die Anwohner des Flughafens eine sechsstündige Nachtruhe vor dem höchsten deutschen Verwaltungsgericht erst erstreiten mussten.
Im Zusammenhang mit dem Nachtflugverbot ist zu erwähnen, dass das Land Hessen bei der Festlegung der 17 Nachtflüge im Planfeststellungverfahren offenbar einen schweren Formfehler begangen hat. In den öffentlichen Anhörungen der Bürger/innen und Kommunen war immer nur von einem Nachtflugverbot die Rede gewesen. Erst im Nachhinein hatte das Land Hessen den Planfeststellungsbeschluss dahingehend ergänzt, dass 17 Nachtflüge zugelassen wurden. Die Bürger/innen und Kommunen waren zuvor jedoch nicht angehört worden.
Welche Konsequenzen sich aus diesen und möglichen anderen Formfehlern ergeben, wird erst dem Urteil zu entnehmen sein. Dass das Bundesverwaltungsgericht den Planfeststellungsbeschluss zum Bau der Nordwestbahn deswegen aufhebt, gilt als unwahrscheinlich. Möglicherweise muss die Hessische Landesregierung aber wegen der Formfehler eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses durchführen. Dies würde es den Bürgern/innen und Kommunen ermöglichen, mit Hilfe von Gutachten und Gegengutachten zu Schallpegeln den Bau der Nordwestbahn insgesamt noch einmal anzugreifen. Inzwischen liegen auch neue Erkenntnisse zu den Schadstoffbelastungen durch den Flughafen vor. Auch fordern das Bundesumweltamt und zahlreiche medizinische Studien ein absolutes Nachtflugverbot von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr. Zur Klärung dieser Fragen könnte wieder der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet sein. Weder Fraport noch ihr Hauptkunde Lufthansa könnten sich in diesem Falle wirklich sicher sein, wie es mit dem Flughafenausbau weitergeht. All dies sind im gegenwärtigen Stadium allerdings Spekulationen. Es muss einfach abgewartet werden, was die Bundesverwaltungsrichter entscheiden und in das Urteil hineinschreiben.
Etwas überraschend äußerten die Richter in der Verhandlung, dass die Regelungen zur Anzahl der Flugbewegungen in den Nachtrandstunden, also von 22:00 Uhr bis 23:00 Uhr und von 05:00 Uhr bis 06:00 Uhr stärker an die Lärmschutzbelange der Anwohner des Flughafens angepasst werden müssten. Zunächst erwog das Recht, die Anzahl der Flüge in diesen Zeiträumen auf insgesamt maximal 133 zu begrenzen. Weiterhin müsse verhindert werden, dass es zu einer Häufung der Flugbewegungen kurz vor 23:00 Uhr und kurz nach 05:00 Uhr komme. Der Senat forderte ein „maßvolles Ab- und Anschwellen“ des Flugverkehrs in den Tagesrandzeiten. Es könne nicht sein, dass morgens, in den ersten 30 Minuten nach 05:00 Uhr eine ähnlich hohe Belastung wie am Tag entstehe. Das Gericht erwägt enge, halbstündige Flugkontingente in den Nachtrandstunden einzuführen. Dabei kann das Bundesverwaltungsgericht der Hessischen Landesregierung allerdings keine konkreten Vorgaben machen sondern lediglich sogenannte „Segelanweisungen“ erteilen, an Hand derer die Hessische Landesregierung eine konkrete Regelung treffen muss. Dabei kann getrost davon ausgegangen werden, dass sich Volker Bouffier zunächst mit dem Fraport-Chef Stefan Schulte und dem Lufthansa-Chef Christoph Franz zusammensetzen wird, um eine für den Flughafen und Lufthansa bestmögliche Regelung zu erarbeiten. Möglicherweise muss eine Regelung, die die Lärmschutzbelange in den Nachtrandzeiten zum größtmöglichen Schutz der Anwohner berücksichtigt, wieder durch zwei Instanzen eingeklagt werden. Ohnehin ist zu erwarten, dass im Anhörungsverfahren die Forderung nach einem absoluten Nachtflugverbot in der Zeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr erhoben wird. Eine derartige Ausweitung des Nachtflugverbots bezeichnete Lufthansa-Chef Christoph Franz zwischenzeitlich als „ein Schreckensszenario, dass das Geschäftsmodell der Lufthansa infrage stelle“. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung stellte zu dieser Aussage fest, dass Franz inzwischen das Problem habe „dass das niemand mehr so recht glauben mag“.
Das Bundesverwaltungsgericht hat weitere mögliche Fehler des Planfeststellungsbeschlusses erörtert. Insbesondere haben sich die Lärmprognosen für die Stadt Offenbach als falsch erwiesen. Nach den Prognosen der Fraport Gutachter sollten „lediglich“ 60% des Stadtgebiets in besonderen Lärmschutzzonen liegen. Tatsächlich werden allerdings mehr als 90% des Stadtgebiets in Lärmschutzzonen einzubeziehen sein. Dies hatten die Gutachter der Stadt Offenbach auch vorhergesagt. Da nahezu das gesamte Stadtgebiet Offenbachs einem Bauverbot unterliegt, hat die Stadt Offenbach die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses beantragt und angekündigt, sofern diesem Antrag nicht stattgegeben wird, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Der weitere Ausbau des Flughafens könnte die Gerichte also noch jahrelang beschäftigen.