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Bundesverwaltungsgericht in Leipzig
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Franz jammert und Strafanzeige gegen Lufthansa wegen gewerbsmäßigen Betruges
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Am 4. April 2012 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über acht Musterklagen gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Flughafens Frankfurt am Main, insbesondere den Bau der Nordwestbahn entschieden. Dabei hat es festgestellt, dass die Zulassung von 17 planmäßigen Flügen in der Zeit von 23:00 Uhr bis 5:00 Uhr bereits wegen fehlender Anhörung der Gemeinden und der betroffenen Bürger unzulässig war. In der mündlichen Urteilsbegründung – die schriftlichen Urteilsgründe stehen noch aus – hatte das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass allenfalls für Expressfrachtflüge Ausnahmen genehmigt werden könnten, wobei sich der Gestaltungsspielraum der Planfeststellungsbehörde (Hessisches Wirtschafts- und Verkehrsministerium) auf annähernd Null einschränke. Die Planfeststellungsbehörde muss nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts über ein Nachtflugverbot bzw. die Zulassung von Nachtflügen in der Zeit von 23:00 Uhr bis 5:00 Uhr neu entscheiden. Die hessische Landesregierung hat ebenso wie die Fraport AG angekündigt, für diesen Zeitraum keine planmäßigen Flüge zuzulassen bzw. dies zu beantragen. Es ist auch zu erwarten, dass dies umgesetzt wird, da sich die hessische Landesregierung kaum dem Vorwurf aussetzen will, erneut einen Wortbruch zu begehen. Insoweit dürfte die Nichtwahl von Boris Rhein zum Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main „Denkzettelcharakter“ gehabt haben.
Allerdings hat die Lufthansa AG bereits angekündigt, dass sie im Planfeststellungsverfahren eine geringe Anzahl von Nachflügen beantragen werde. Vorstandschef Christoph Franz wird nicht müde, zu behaupten, dass der Frankfurter Flughafen im internationalen Wettbewerb ohne Nachtflugregelungen zurückfallen werde. „Frankfurt, Hessen – ja der ganzen Export- und Logistiknation Deutschland drohten die Flügel gestutzt zu werden“, sagte Franz, der dem Luftverkehrsstandort Frankfurt nun „langfristig gravierende negative Folgen“ voraussagt. Mit diesen sachlich unwahren Behauptungen versucht Christoph Franz die Politik einzuschüchtern und Ängste in der Bevölkerung zu schüren.
Beim Lufthansa-Chef scheinen die Nerven ohnehin blank zu liegen. Für das Geschäftsjahr 2011 musste die Lufthansa AG einen Nettoverlust von 13 Mio. Euro im Konzern verkünden. Durch den Einsatz von Leih-Flugbegleitern sollen die Kosten gesenkt werden. Die einst stolze Lufthansa AG soll offenbar zu einer Billigfluglinie umgebaut werden. Sie überschwemmt den Markt mit 49- und 99-Euro-Angeboten. Die neuen gelieferten Flugzeuge wurden mit unbequemen und kleineren Sitzen ausgestattet. Es hagelt Kritik am Service und Komfort. Bei Service und Sicherheit hat die Lufthansa AG ihren Platz unter den Top 10-Airlines längst eingebüßt.
Nach Presseberichten sehen sich verschiedene Lufthansa-Manager inzwischen einer Strafanzeige wegen gewerbsmäßigen Betruges von 21 Mio. Kunden ausgesetzt, da die Lufthansa bereits im Januar 2011 das Miles and More-Programm zum Nachteil der Meilensammler änderte und der Verdacht besteht, dass durch eine bewusste Verschleierung der Änderung des Meilenprogramms Kunden geschädigt werden sollten. Einzelheiten hierzu finden sich unter www.meilenschwund.de.
Um sich insbesondere der Konkurrenz von Emirates und Etihad, die seit Jahren Toprankings belegen, zu erwehren, fordert Christoph Franz inzwischen, die Expansionsstrategie von Airlines aus den Golfstaaten durch EU-Gesetze zu beschränken. Die Außendarstellung der Lufthansa AG ist ein einzigartiges PR-Desaster. Der Kranich befindet sich im Sturzflug.
Noch einmal zurück zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. April 2012. In der mündlichen Verhandlung hatte dieses geäußert, dass die Regelungen zur Anzahl der Flugbewegungen in den Nachtrandstunden, also von 22:00 Uhr bis 23:00 Uhr und von 05:00 Uhr bis 06:00 Uhr stärker an die Lärmschutzbelange der Anwohner des Flughafens angepasst werden müssen. Insbesondere müsse verhindert werden, dass es zu einer Häufung der Flugbewegungen kurz vor 23:00 Uhr und kurz nach 05:00 Uhr komme. Der Senat fordert ein „maßvolles Ab- und Anschwellen“ des Flugverkehrs in den Tagesrandzeiten. Dabei sind alle Besucher der Gerichtsverhandlung davon ausgegangen, dass sich diese Ausführungen des Gerichts selbstverständlich auf sämtliche Flüge in den Tagesrandzeiten beziehen. Im Gegensatz hierzu ergibt sich aus der verkündeten Urteilsformel, dass diese Einschränkungen nur dann gelten sollen, wenn sich die Planfeststellungsbehörde entschließt, mehr als durchschnittlich 133 Flugbewegungen in den Nachtrandzeiten zuzulassen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Frankfurter Flughafen auf Grund der gegenwärtigen Regelung bereits in der Lage wäre, an einzelnen Tagen eine maximale Kapazität von 240 Flugbewegungen in den beiden Nachtrandstunden abzuwickeln. Dies führt zwingend dazu, dass „die Nacht zum Tag gemacht wird“. Dies aber wollten die Richter nach den Ankündigungen in der mündlichen Verhandlung gerade verhindern. Umso überraschender und enttäuschender ist es, dass sich diese Ankündigung nicht im Urteilstenor wieder findet.
Es bleibt allerdings noch abzuwarten, was sich aus den Urteilsgründen selbst ergibt. Aus diesen können sich nämlich Hinweise für die Verfahren ergeben, die vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof noch anhängig sind. Entgegen vielen Pressekommentaren ist über den Ausbau des Frankfurter Flughafen bislang nicht rechtskräftig entschieden worden. Das Bundesverwaltungsgericht hat „lediglich“ in Bezug auf acht sogenannte Musterkläger, darunter verschiedene Gemeinden, das Klinikum Offenbach und zwei Privatpersonen entschieden, dass der Bau der Nordwestbahn rechtmäßig sei. Es sind allerdings noch ca. 250 Verfahren vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof anhängig. Einige der Kläger haben in diesen Verfahren den Einwand erhoben, dass das von der Fraport AG vorgelegte und von der Planfeststellungsbehörde seiner Entscheidung zum Bau der Nordwestbahn zugrunde gelegte Schadstoffgutachten fehlerhaft sei. Dies hatte ein Kieler Toxikologe in einem Spiegel-Interview bestätigt. Dieser Einwand wurde sodann auch von einigen Musterklägern im Revisionsverfahren erhoben. Dies könnte jedoch zu spät erfolgt sein. Es bleibt dann aber die Möglichkeit, dass sich der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit dieser Problematik in den noch anhängigen Verfahren befassen muss. Letztlich bleibt also abzuwarten, was sich aus den schriftlichen Urteilsgründen des Bundesverwaltungsgerichts ergibt und ob der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf die noch anhängigen Verfahren in die mündliche Verhandlung mit anschließender Beweisaufnahme eintritt. Auch muss abgewartet werden, wie das Planergänzungsverfahren zum Nachtflugverbot (22:00 Uhr bis 06:00 Uhr) durchgeführt werden muss und welche Einwendungsmöglichkeiten für die Bürger/innen bestehen. Der juristische Kampf gegen den Flughafenausbau ist noch lange nicht zu Ende.
Wie ist das Urteil vorläufig zu bewerten? Es ist sicher als ein Erfolg anzusehen, dass das Nachtflugverbot von 23:00 Uhr bis 05:00 Uhr bestätigt wurde. Wie in den vergangenen Tagen allerdings zu hören war, können unplanmäßige Starts und Landungen in der Nacht unabhängig vom generellen Nachtflugverbot stattfinden. Diese Ausnahmeregelung wird vom Hessischen Wirtschafts-und Verkehrsministerium zu Gunsten der Airlines sehr großzügig ausgelegt. Ob das Bundesverwaltungsgericht die Hessische Landesregierung verpflichtet, die Flugbewegungen in den Nachtrandzeiten stärker am Ruhebedürfnis der Anwohner zu steuern, wird sich endgültig erst aus den schriftlichen Urteilsgründen ergeben.
Die unerträgliche Lärmbelastung am Tag ist durch die Leipziger Richter nicht eingeschränkt worden. Insbesondere haben die Richter des Bundesverwaltungsgerichts das im Planfeststellungsbeschluss vielfach praktizierte „Kleinrechnen“ des Fluglärms unbeanstandet gelassen. Dort wird der Fluglärm über sechs Monate gemittelt und Einzelschallereignisse, die nach medizinischen Studien unstreitig gesundheitsschädigend sind, nicht berücksichtigt. Die Privatkläger unter den Musterklägern haben bereits kurz nach dem Urteil angekündigt, eine Verfassungsbeschwerde zu erheben.
Zu begrüßen ist, dass Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer in Aussicht gestellt hat, zum Schutz der Anwohner von Flughäfen die Lärmschutzgesetze überprüfen zu lassen. Darüber hinaus hat er etwas überraschend für den 24. Mai 2012 ein Spitzengespräch in Berlin angekündigt, an dem Vertreter der Flughäfen, Fluggesellschaften, Verbände und Länder teilnehmen werden. Ziel müsse es sein, so Dr. Peter Ramsauer in einem SPIEGEL-Interview, dass zwischen den deutschen Flughäfen Kooperationsvereinbarungen geschlossen werden, mit dem Ziel, wenig genutzte Flughäfen stärker auszulasten und ein bundesweites Flughafenkonzept zu entwickeln. Der Bundesverkehrsminister wies in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass sämtliche deutschen Flughäfen weiterhin mehrheitlich im Eigentum des Bundes, der Länder oder der Städte stünden, was den Abschluss von Kooperationsvereinbarungen erleichtern sollte.
Die Streiks am Frankfurter Flughafen Anfang März 2012 haben zudem gezeigt, dass es möglich ist, von Frankfurt aus weitgehend auf Inlandsflüge zu verzichten. Der Verkehr konnte problemlos auf die Schiene verlagert werden. Dabei berichtete die Frankfurter Rundschau in einem Artikel vom 14. April 2012, dass Untersuchungen ergeben hätten, dass jeder vierte Flug durch die Bahn ersetzt werden könne. Nach Angaben der Bundesregierung verbindet gegenwärtig etwa jeder sechste Flug Frankfurt mit einem Zielort, der in höchstens vier Stunden vom Hauptbahnhof aus erreichbar wäre. Wären alle Projekte zum Ausbau des Schienenverkehrs verwirklicht, könnte es jeder vierte Flug sein. Ein erheblicher Teil des Flugverkehrs könnte deshalb auf die weitaus umweltfreundlichere Bahn verlagert werden.
Abschließend ist noch auf eine weitere Gefahr für die Gesundheit der Anwohner des Frankfurter Flughafens hinzuweisen. Feinstaub-Messungen in Flörsheim brachten eine hohe Belastung zu Tage. Landeten Flieger über Flörsheim, war die Feinstaubbelastung doppelt so hoch wie ohne landende Flugzeuge. Der Höchstwert lag bei 109 Mikrogramm Feinstaub pro m3 Luft. Der gesetzliche Feinstaub-Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm im Jahresmittel. Besonders besorgniserregend war, dass es sich zu 97 Prozent um Feinstaub einer Größe handelte, der bis in die Bronchen oder sogar die Lungenbläschen gelangen kann. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf den Artikel „Der unsichtbare Flugzeug-Dreck“ aus der Frankfurter Rundschau vom 13. April 2012.